Nur unter Druck: Mich zur Weiterbildung gezwungen.

"Was passiert, wenn wir unsere Mitarbeitenden fortbilden und sie gehen? - Was passiert, wenn wir es nicht tun und sie bleiben?" Ein ehrlicher Erfahrungsbericht, warum zwei parallele Weiterbildungen in der Urlaubszeit keine so gute Idee sind und warum ich trotzdem mit gutem Beispiel voran gehe. 

 

 

Vor ein paar Wochen - kurz vor meinem Urlaub - erhielt ich eine Mail mit dem Betreff: „Microsoft Vouchers Expiration Notice“. Ich musste kurz überlegen, warum ich offene Gutscheine für Microsoft Zertifikate habe. Aber dann habe ich mich an den Sprint erinnert mit der schlichten Bezeichnung „AZ-204“. Damals war ich der Product Owner von "MAC-PayGate", einer Omni-Payment-Plattform, die wir bei der MAC entwickelt haben und die mittlerweile als "collana pay" von der collana hive GmbH weiterentwickelt wird.

 

Dieser 3-Wochen-Sprint hatte damals nur ein einziges Ziel: Alle Entwickler:innen (Junior, Senior und auch Lead) arbeiten sich in sämtliche Cloud-Dienste ein, die irgendwann mal im Zusammenhang mit der PayGate-Entwicklung gefallen sind. Und das waren viele. Das Dev-Team bestand wohlgemerkt aus „ausgewachsenen“ Entwickler:innen mit Master-Abschlüssen und mehrjähriger Berufserfahrung. Wir wollten natürlich zum einen wissen, ob wir den optimalen Tech-Stack verwenden, und zum anderen auch erklären können, warum wir bestimmte Dienste gerade nicht nehmen oder nutzen. Dabei sollten sämtliche Entwickler:innen einen einheitlichen und umfangreichen Wissensstand aufbauen: Kein Inselwissen, keine Spezialisierung, sondern knallhart: „Am Ende des Sprints wissen alle alles, was die Cloud zu bieten hat“. Als krönenden Abschluss sollten alle Dev-Entwickler:innen die Zertifizierung zum “ Azure Developer Associate“ ablegen (wenn noch nicht geschehen). Wer wollte, konnte auch, quasi zum Warmwerden, das Zertifikat „Microsoft Azure-Grundlagen“ machen.

 

Damals habe ich gleich einen „ganzen Sack“ an Zertifizierungs-Gutscheinen bei Microsoft gekauft für den Fall, dass Kolleg:innen die Prüfung nicht im ersten Versuch erfolgreich abschließen. Und wie es jetzt aussah, wurden zwei Gutscheine im Endeffekt nicht benötigt und drohten in den nächsten Wochen zu verfallen. Mittlerweile war mein altes „Top-Team“ komplett in die collana hive übergegangen und mein neues Team noch nicht bereit für eine „Associate“-Zertifizierung. Zumal fast 70% des Teams im Urlaub waren oder in den nächsten Tagen in den Urlaub gehen würden (so wie ich).

 

Doch bevor ich die Gutscheine verfallen lasse, nutze ich sie doch lieber selbst, habe ich mir dann gesagt. Leider fiel der letztmögliche Termin auf den letzten Samstag unseres Urlaubs und der einzige Timeslot war morgens um 8:15 Uhr; also einen Tag vor der Abreise nach Hause (sprich: am Packtag) und praktisch mitten in der Nacht. Egal, dachte ich: Ich nehme einfach den Laptop mit, stell den Wecker und werde schon einen ruhigen Platz zur Prüfung finden. Ich entschied mich außerdem für die Prüfungen zum „Microsoft Azure-Administrator“ und „Azure Cosmos DB Developer Specialty“. Beides, so dachte ich, sollte aufgrund meiner Berufserfahrung nach einer kurzen Prüfungsvorbereitung schaffbar sein. Naja.

 

Um sicherzugehen, dass mein Wissenstand für die Zertifikatsfragen ausreicht, habe ich mir bei Udemy für jedes Thema einen Praxistest gekauft. Während meine Ergebnisse im Test für die CosmosDB Zertifizierung noch relativ gut ausfielen, war der Test für den „Azure-Administrator“ geradezu katastrophal. Und das gerade einmal 2 Wochen vor Prüfungstermin. Und direkt vor meinem Urlaub mit der Familie. Dummerweise haben auch noch meine beiden Jungs mitbekommen, dass ich zwei „Klassenarbeiten“ während unseres Urlaubs haben werde. Und da ich das Lügenbollwerk über meine eigenen hervorragenden schulischen Leistungen in der 4. bzw. 6. Klasse nicht einstürzen lassen wollte, durfte ich einfach nicht durchfallen. Mein Ehrgeiz war gepackt!

 

Also habe ich mich in meinem Urlaub zwei Wochen lang jeden Abend für mindestens eine Stunde ins Schlafzimmer unserer Ferienwohnung zurückgezogen, habe mir die Noise-Cancelling Kopfhörer aufgesetzt und diverse Lernvideos durch eine 3D-VR-Brille für Smartphones angesehen. Am Strand habe ich (wenn‘s ging) die Lernpfade von Microsoft durchgearbeitet und mir haufenweise Notizen gemacht, während meine Söhne das gute Wetter und das warme Wasser genossen haben.

 

Am Ende hat's für beide Zertifikate gereicht: Freitag der „Azure Cosmos DB Developer Specialty“, Samstag der „Microsoft Azure-Administrator“ und Sonntag dann die Abreise. Die Qualität unseres Urlaubs hat allerdings sehr gelitten und ich will mich ausdrücklich bei meiner Frau und unseren Jungs bedanken, da sie einen Teil unserer Urlaubsabende ohne mich verbringen mussten. Weiterbildung während des Urlaubs kann ich also nur bedingt empfehlen. :D

 

Jetzt habe ich schon so viele Zertifikate während meiner beruflichen Laufbahn gemacht und doch unterschätze ich den Lernaufwand oft. Man kann also auch sagen: „Alles wie immer“ - Aufwand schätzen, Deadline festlegen, kurz vor Abgabe Panik bekommen und durch enormen Kraftaufwand doch noch alles zum Guten wenden. Ein bisschen stehe ich darauf ;)